Suizid ohne Abschiedsbrief

In ihrer Trauer um einen geliebten Menschen fühlen sich die Hinterbliebenen im Allgemeinen hilflos und alleingelassen. Zu akzeptieren, dass der Verstorbene aus dem Leben gerissen wurde und nie mehr zurückkehrt, ist ein Umstand, den man nur äußerst schwer verkraften kann. Hat der Verstorbene aber Suizid begangen, ist die Situation für die Hinterbliebenen unbegreiflich und unerträglich. Einerseits fühlen sie einen tiefen Schmerz über den Verlust, den sie erlitten haben, andererseits entsteht aber oftmals auch eine große Wut auf den Suizidenten, der sie einfach im Stich gelassen hat. Darüber hinaus geben viele Menschen sich selbst zumindest eine Teilschuld, weil sie den Verstorbenen nicht von seinem Suizid abgehalten haben und augenscheinlich nicht für ihn da waren als er in einer für ihn aussichtlos erscheinenden Krise war. Nach dem Suizid eines Angehörigen befinden sich die Hinterbliebenen somit in einem Zwiespalt, der es ihnen mitunter unmöglich macht, diesen Schicksalsschlag zu verarbeiten.
Vor allem die Frage, warum der Verstorbene Suizid begangen hat und sterben wollte, beschäftigt die Hinterbliebenen auch noch Jahre nach dem Freitod und lässt sie nicht zur Ruhe kommen. Der Selbstmord überschattet so das Dasein der Angehörigen und reißt diese mitunter in den Abgrund, so dass diese fortan mit mehr oder weniger massiven psychischen Problemen zu kämpfen haben. Die Ungewissheit, warum der Verstorbene Suizid begangen hat, und auch die Frage nach der eigenen Schuld am Schicksal des Verstorbenen, werden zu einer regelrechten Qual, aus der es kein Entkommen zu geben scheint.
Wirkung eines Suizids mit Abschiedsbrief
Ein Abschiedsbrief kann den Suizid nicht mehr ungeschehen machen, aber durchaus eine Hilfe für die Angehörigen sein. Die Hinterbliebenen haben anhand dessen die Chance, die Gedankengänge des Verstorbenen nachzuvollziehen. Im Rahmen eines Abschiedsbriefes kann der Suizident klarstellen, dass seine Angehörigen keine Schuld trifft. In manchen Abschiedsbriefen klagen die Suizidenten aber auch bestimmte Personen an und machen diese für ihre Lage verantwortlich. Ein Abschiedsbrief kann demnach eine entlastende aber auch belastende Wirkung haben.
In den meisten Fällen geht es dem Suizidenten aber darum, mit seinem Abschiedsbrief klarzustellen, dass er seine Familie liebt, das Leben aber nicht mehr ertragen kann und sich daher nach mitunter jahrelangen Überlegungen dazu entschlossen hat, Suizid zu begehen. Diese Worte zu lesen, ist für die Hinterbliebenen natürlich alles andere als leicht, kann ihnen aber mitunter ein Trost sein. Auf diese Art und Weise wissen sie, dass sich der Verstorbene die Entscheidung nicht leicht gemacht hat.
Wenn kein Abschiedsbrief vorhanden ist
In vielen Fällen erfolgt aber ein Suizid ohne Abschiedsbrief. Der Suizident hat demnach keinerlei Erklärungen im Bezug auf seinen Selbstmord hinterlassen und sich mitunter auch im Vorfeld nichts anmerken lassen. Für die Hinterbliebenen ist eine solche Situation besonders schwer, da sie niemals Antworten auf ihre Fragen erhalten werden. Auch, ob der Suizid eine Kurzschlusshandlung war, bleibt so ungeklärt. Im Falle eines Suizids ohne Abschiedsbrief ist es für die Angehörigen demnach besonders schwer, ihre Trauer zu verarbeiten.
