Sterben als Teil menschlicher Kultur
Das ewige Leben auf Erden, das dem Tod entkommt, hat seit Jahrtausenden eine ungebrochene Faszination auf den Menschen ausgeübt. Die Alchimisten suchten nach dem Elixier für Unsterblichkeit, esoterische Gurus beschworen die Mächte des Jenseits, und auch die moderne Medizin strebt danach, die Lebensspanne des Menschen immer weiter auszudehnen – vielleicht bis zu Unendlichkeit. Und eines wollen sie alle nicht akzeptieren: das das Sterben ein Teil des lebendigen Zyklus ist, dem sich auch der Mensch nicht entziehen kann und das ganz selbstverständlich zu seiner Kultur gehört.
Früher wurde das Sterben überwiegend als ein natürliches Ereignis gesehen, das in das Alltagsleben integriert wurde. Der Tod war kein Tabu, sondern allgegenwärtig, und die Menschen waren sich ihrer Sterblichkeit sehr wohl bewusst. Um den Prozess des Abschieds von einem geliebten Menschen zu erleichtern, haben sich in den Kulturen und Epochen die verschiedensten Rituale entwickelt, in denen der Trauernde Halt und Trost finden konnte.
Das mehrtägige Aufbahren des Verstorbenen zu Hause, von dem alle Freunde und Angehörigen Abschied nehmen konnten, machte das Sterben zu einem bewussten Element im Leben. Das Verhängen der Spiegel und die Pflicht, eine gewisse Zeit Trauer zu tragen, hielten den Gedanken an den Verstorbenen und den Tod lebendig und wurden deutlich gezeigt. In höheren Kreisen war sogar das öffentliche Sterben ein Ritual, dem sehr viele Würdenträger und Verwandte beiwohnten.
Die heutigen Zeiten neigen eher dazu, den Tod zum Tabuthema zu erklären und ihn aus dem Alltagsleben auszuklammern. Viele Menschen sterben nicht mehr zu Hause, sondern fern von ihren Angehörigen in einem Krankenhaus, so dass das Sterben nicht mit erlebt wird. Die Toten werden oft nicht mehr aufgebahrt, sondern im geschlossenen Sarg bestattet. Auch da wird eine gewisse Distanz gewahrt, um dem Thema nicht zu nahe zu kommen.
Der Verdrängungsstrategien gibt es viele. Etliche Menschen weigern sich, ein Testament aufzusetzen, weil sie das mit ihrer eigenen Sterblichkeit konfrontieren würde. Es werden Pillen geschluckt, die jung halten sollen, und sogar Absurditäten wie die Amputation gesunder Körperteile in jugendlichem Alter aus Angst vor Krebs greifen um sich. Unsere heutige Kultur versucht, den Tod auszuklammern.
Dabei ist es viel sinnvoller, sich auf eine bewusste und erwachsene Art und Weise mit dem Thema Sterben zu beschäftigen und es wieder als Bestandteil des menschlichen Daseins und der menschlichen Kultur zu akzeptieren. Unsere Vorfahren können uns da Einiges lehren. So wird einen der Tod eines geliebten Menschen zwar immer noch sehr schmerzhaft treffen, aber die Beschäftigung mit dem Sterben und seine Akzeptanz erleichtern den Trauerprozess und können tröstliche und hilfreiche Aspekte liefern.
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