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Ist der Friedhofszwang ein zu enges Korsett?

Ist der Friedhofszwang ein zu enges Korsett?

Auch die Beerdigungskulturen und Bestattungsrituale wandeln sich im Lauf der Zeit. War es vor langer Zeit üblich, die Verstorbenen nach eigenem Gutdünken an einem beliebigen Platz der eigenen Wahl zu bestatten, so hat sich das mit der Entwicklung der Städte geändert. In einem Ballungsraum war es allein aus hygienischen Gründen nicht mehr möglich, den Bestattungsort willkürlich zu wählen. Hinzu kam, dass die christliche Religion ihre Verstorbenen in geweihter Erde ruhen sehen wollten, was auf dem Friedhof der Kirche gewährleistet war.

Die Anzahl religiöser Menschen ist rückläufig, und so machen sich wieder mehr Wünsche bemerkbar, vom Friedhofszwang befreit zu werden. Nichtreligiöse Menschen lehnen es manchmal sogar ab, auf einem klassischen Friedhof beerdigt zu werden und möchten eine andere letzte Ruhestätte. Durch das Ansteigen der Feuerbestattungen hat sich zudem ein weiterer Trend entwickelt, der überhaupt kein Begräbnis an einem festen Ort mehr vorsieht.

So ist es mittlerweile möglich, eine Seebestattung vorzunehmen, bei der die Urne an einer bestimmten Stelle im Meer versenkt wird. Auch die Luftbestattung, bei der die Asche aus einem Ballon oder Flugzeug verstreut wird, ist – wenn auch noch nicht in Deutschland – möglich und wird immer öfter gewählt. Andere Formen der Erdbestattung sind die Beisetzung in einem Wald zu Fuß eines imposanten Baumes oder die Bestattung auf einer Wiese oder einer Rasenfläche.

Diese Wünsche der Verstorbenen oder ihrer Angehörigen nach einer individuell gestalteten Bestattung jenseits eines Friedhofs sollten sicher respektiert werden. Es ist gut nachvollziehbar, dass es für die Hinterbliebenen ein tröstlicher Gedanke ist, wenn der verstorbene geliebte Mensch im Schutze eines Baumes ruht oder sich der Unendlichkeit des Meeres und der Luft anvertraut hat und nun wirklich frei von aller Erdenschwere ist. Diesen Wünschen tragen manche Friedhöfe auch schon Rechnung und bieten die Baum- oder Wiesenbestattung an, bei der entweder die Urne beigesetzt wird oder die Asche an dafür reservierten Plätzen verstreut wird.

Andere Länder kennen den Friedhofszwang nicht und sind sehr viel freizügiger in ihren Bestimmungen. Und die Erfahrungen zeigen, dass diese Freizügigkeit den Wünschen der Bürger entgegen kommt und im Großen und Ganzen gut funktioniert. Was spricht auch dagegen, wenn der Hinterbliebene die Asche seines verstorbenen Angehörigen selbst in einen Wildwasserbach streut, der in einem dafür ausgewiesenen Gebiet liegt? Es ist eine persönliche Entscheidung, wie der Trauernde und der Verstorbene am besten ihren Frieden finden und welche letzte Ruhestätte dafür geeignet ist. Die modernen Zeiten haben das Korsett für die Frau längst abgeschafft, vielleicht ist es an der Zeit, auch das Korsett des Friedhofszwangs zumindest zu lockern.


Tags: Friedhofszwang
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